Corporate Entrepreneurship – die Kunst des Hervorbringens einer unternehmerischen Orientierung in reifen Unternehmen

Christopher Arz

Christopher Arz

Management Garden Team

11. Mai 2015
8 Minuten

Neue, wirkungsvolle Marktimpulse gehen meist von jungen Startups aus. Mit ihrer dynamischen Kultur werfen sie gefestigte Marktstrukturen über den Haufen und wirken dabei unverschämt lässig. Innovationen sind für diese Unternehmen die Basis allen Handelns, Wachstum und Wandel ihre Religion. Risikobereitschaft und Proaktivität sind selbstverständliche Grundprinzipien, die keinem Mitarbeiter erklärt werden müssen.

Warum so zurückhaltend, Ihr reifen Unternehmen, Ihr Marktführer? Ihr habt doch die nötigen flüssigen Mittel, den großen Kundenstamm, die Erfahrung, die hochqualifizierten Mitarbeiter. Was hindert Euch daran, selbst die Initiative zu ergreifen, Euren Markt neu zu erfinden oder gar völlig neue Geschäftsfelder zu erschließen? Das Geld liegt auf der Straße, greift doch einfach zu.

Was so einfach klingt ist in Wahrheit eine Mammutaufgabe. Mit der vierteiligen Serie zum Thema Corporate Entrepreneurship widmet sich der Innovationsblog diesem Thema. Wir arbeiten den Ursprung des Begriffs auf, erläutern Schwierigkeiten und Hürden, aber vor allem Lösungsansätze. Wir lassen Intrapreneure zu Wort kommen und zeigen Best Practices auf. Freut euch darauf und bleibt am Ball.

Was macht reife Unternehmen so träge?

 

Mit zunehmender Reife müssen Unternehmen zwei gegensätzliche Sachverhalte gleichzeitig managen –die Bewahrung bestehender Geschäfte auf der einen und die Erschließung neuer Geschäftsfelder sowie das Hervorbringen von Innovationen auf der anderen Seite. Die Vereinbarung dieser beiden konträren Logiken wird als Ambidextrie bezeichnet und ist eine höchst anspruchsvolle Aufgabe. Letztlich gilt es, eine gesunde Mischung aus Veränderung und Bewahrung zu gestalten.

Ein Beispiel. Die Finanzbranche verändert sich aktuell rasant. Branchenfremde Wettbewerber wie Apple, Google und Amazon treten ebenso in den Markt ein wie junge FinTech (Finanztechnologie) Startups. Mobile Payment ist dabei ein großes Thema und könnte den bargeldlosen Zahlungsverkehr in den nächsten Jahren revolutionieren. Die etablierten Banken geraten unter Druck, ihre Geschäftsmodelle werden bedroht – und sie wissen davon. Zwischen dem Erkennen dieses Trends und der entsprechenden Reaktion klafft jedoch eine erhebliche Lücke. Denn die Banken haben einen enormen Kundenstamm, der klassische Zahlungsmethoden nutzt und einen reibungslosen Ablauf erwartet. Die Bewahrung dieses Geschäfts erfordert einen enormen Aufwand und lässt nur wenig Raum für die Entwicklung von Mobile Payment Lösungen.

Gleichzeitig sind die Strukturen und die Kultur reifer Unternehmen meist nicht auf das Hervorbringen von Innovationen ausgerichtet. Es existieren ausgereifte Abteilungsstrukturen mit starren Hierarchieebenen, ein hoher Grad an Formalisierung und bürokratische Planungs- und Kontrollsysteme. Altlasten behindern die schnelle Anpassung an Veränderungen im Markt und reduzieren die Flexibilität der Unternehmen. So kann die Sparkassen-Gruppe nicht unmittelbar auf die sinkende Bedeutung von Filialen reagieren, da das Filialsystem seit jeher die Basis des Geschäfts darstellte und bedeutende Mitspracherechte seitens der Filialleiter bestehen. Ebenso sind die IT-Systeme zum Teil auf veraltete Prozesse ausgerichtet und nicht geeignet, um eine Schnittstelle (API) für eCommerce-Plattformen anzubieten. Schärfere Regulierungen und kurzfristige Management-Denkhaltungen erfordern zudem einen hohen Aufwand für Maßnahmen der Kosten- und Prozessoptimierung.

Corporate Entrepreneurship zur Schaffung neuer Wachstumsimpulse

Unter dem Begriff Corporate Entrepreneurship (CE) versteht man einen Prozess, um eine unternehmerische Orientierung in etablierten Unternehmen zu verankern, mit dem Ziel, eine innovationsstarke, flexible Organisation zu schaffen und Erfolgspotenziale besser aktivieren zu können. Entgegen des klassischen Entrepreneurship-Ansatzes bezieht sich das Konzept damit ausschließlich auf Unternehmen, die sich bereits in einer fortgeschrittenen Lebenszyklus-Phase befinden.

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Unternehmerisches Denken und Handeln im Sinne des klassischen Entrepreneurship ist in den Anfangsphasen eines Unternehmens meist natürlich vorhanden, da die Findung, Umsetzung und Skalierung eines Geschäftsmodells zwangsläufig eine gewisse Risikobereitschaft und Proaktivität erfordert. In den fortgeschrittenen Phasen rückt die Bewahrung des Bestehenden hingegen stärker in den Vordergrund. Eine unternehmerische Orientierung muss hier entsprechend neu gelernt und durch unterschiedliche Methoden organisatorisch und kulturell verankert werden.

Was sagt die Forschung?

Die Forschung beschäftigt sich seit Anfang der 80er Jahre mit dem Thema. Der Ursprung kann dabei in den USA ausgemacht werden. Vor allem Miller und Friesen sind in diesem Zusammenhang als Pioniere zu nennen und haben den Begriff in ihrer Arbeit von 1983 geprägt.

“An entrepreneurial firm is one that engages in product-market innovation, undertakes somewhat risky ventures, and is first to come up with ‚proactive‘ innovations, beating competitors to the punch. A nonentrepreneurial firm is one that innovates very little, is highly risk averse, and imitates the moves of competitors instead of leading the way.”

Innovativität, Proaktivität und Risikobereitschaft sind nach Meinung der Autoren die wichtigsten Eigenschaften einer unternehmerisch agierenden Organisation. Andere Autoren greifen dies auf und ergänzen zum Teil Eigenschaften wie Aggressivität, Autonomie und Selbsterneuerung.

Relevante Faktoren zur Implementierung von Corporate Entrepreneurship in einer Organisation werden in der Forschung vor allem im Kontext der Umwelt, der Strategie, der Organisation und der Kultur eines Unternehmens untersucht. Ein Wandel muss dabei insbesondere im Hinblick auf die Kundenorientierung, Führungskultur, strategische Planung sowie den Grad der Formalisierung und Institutionalisierung erfolgen. Dabei sollte es ermöglicht werden, aktuelle Trends besser zu erfassen und diese unmittelbar in eigene Lösungen umzuwandeln.

Die Person des Intrapreneurs spielt dabei eine entscheidende Rolle. Sie verbindet die Charakteristiken des klassischen Entrepreneurs mit dem speziellen Wissen um die Eigenheiten des Konzernumfeldes. Diese Person ermöglicht die Umsetzung unternehmerischen Handelns in reifen Unternehmen, ohne dass er aus der Organisation heraustreten muss. Wichtiger Bestandteil dieses Ansatzes ist darüber hinaus die Zusammenstellung von kleinen, interdisziplinären Teams. Dies erleichtert insbesondere die Handlungs- und Anpassungsfähigkeit einer Organisation und schafft damit die Voraussetzung, um schnell marktkonforme Lösungen entwickeln zu können.

Soweit die Theorie. Was aber sind praxisnahe Lösungen?

Die wichtigste Konsequenz für reife Unternehmen kann darin gesehen werden, dass Möglichkeiten zur Schaffung einer erhöhten Agilität und marktorientierten Denkweise gefunden werden müssen. Dabei ist es notwendig, kleinere Organisationen zu bilden und aufkommende Produktideen frühzeitig im Markt zu testen. Zwei Methoden sind in diesem Zusammenhang besonders relevant.

Lean Start Up – diese Methode geht auf Eric Ries und Steve Blank zurück. Sie fördert die Verkürzung der Produktentwicklungszyklen und erlaubt die Beschleunigung des Time-to-Market. Damit kann auf Marktveränderungen schneller reagiert werden. Wichtige Elemente sind eine gewisse Autonomie, flache Hierarchien, kleine Entwicklungspakete mit häufigen Tests, Gründertypen in kleinen Teams und die kontinuierliche Validierung der Idee durch iteratives Vorgehen.

Design Thinking – diese Methode adressiert insbesondere das Problem, dass die Findung von neuen marktkonformen Lösungen im Konzernumfeld häufig schwer fällt. Das Ziel von Design Thinking ist – im Unterschied zur klassischen Forschung – Lösungen zu finden, die aus Anwendersicht (Nutzersicht) überzeugend sind. Das Konzept basiert auf der Annahme, dass Probleme besser gelöst werden können, wenn Menschen unterschiedlicher Disziplinen in einem die Kreativität fördernden Umfeld zusammenarbeiten, gemeinsam eine Fragestellung entwickeln, die Bedürfnisse und Motivationen von Menschen berücksichtigen, und dann Konzepte entwickeln, die mehrfach und direkt im Markt geprüft werden. Dieser iterative Prozess ist damit eine Kombination aus Verstehen, Beobachtung, Ideenfindung, Verfeinerung, Ausführung und Lernen.

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Christopher Arz
Christopher Arz

Management Garden Team

Christopher Arz hält einen Master in Sales and Marketing und hat tiefgreifende Expertise in den Bereichen Product Management, Marketing und Innovationsmanagement. Im Rahmen seiner Master-Thesis beschäftigte er sich umfassend mit dem Thema Corporate Entrepreneurship.

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