Die Schwierigkeiten des Einfachen

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Management Garden Team

21. Juni 2018
5 Minuten

Oft hört man derzeit den Ruf nach mehr Eigeninitiative der Mitarbeitenden. Dabei wird übersehen, dass es sie in vielen Fällen bereits gibt und dass es dafür immer auch die richtigen Bedingungen braucht.

Horcht man in die Unternehmenslandschaft hinein, wird schnell klar, wo es nach Meinung vieler derzeit hakt. Organisationen reagieren nicht schnell genug auf turbulente Umwelteinflüsse und der heroische Vorgesetzte, der seine Mitarbeitenden lenkt und leitet, hat ausgedient. Stattdessen gilt es, der starren Bürokratie der Formalismen ein Schnippchen zu schlagen – indem man z. B. die Devise ausgibt: Einfach mal machen! Diese Devise fügt sich dabei gedanklich ein in eine Reihe von Konzepten, die sich als Antworten auf eine zunehmend unsicher erlebte (Arbeits-)Welt verstehen.

Ansätze wie Prototyping oder Effectuation stellen ein Setting von Ideen bereit, die helfen sollen, extensive Vorausplanung gegen kurzfristige Handlungsfähigkeit und schrittweise Weiterentwicklung einzutauschen. Andere Ansätze setzen stärker auf Bottom-up-Initiativen und versuchen, diese durch Techniken und Tools zu verankern und offensiv zu fördern. So soll bspw. Working Out Loud die „Einfach-mal-machen“-Kompetenz fördern, indem Menschen mit gleichen Themen auf neue Art zusammengebracht werden.

Doch auch wenn es an Konzepten (und Literatur dazu) nicht mangelt, oft folgt auf die Aufforderung, „einfach mal zu machen“ – nichts. Oder die Dinge geraten gar ins Stocken, weil Vorgesetzte den Mitarbeitenden die Chance geben wollen, einfach mal zu machen, während die aber verwirrt darauf warten, dass ihre Vorgesetzten für die gewohnte Orientierung sorgen.

Grundsätzlich ist die Devise „Einfach mal machen“ durchaus organisationsklug – zieht sie doch ins Kalkül, dass die Kompetenz zur Lösung spezifischer Probleme nicht linear mit der Höhe des Gehalts anwächst und Führungsimpulse nicht in jedem Fall von oben kommen müssen. Wer Mitarbeitende „einfach mal machen“ lässt, ist offensichtlich ausreichend dafür sensibilisiert, dass Mitarbeitende selbst wissen können, wo vorne ist, und formale Abstimmungs- und Absicherungsschleifen mitunter dem Bedürfnis nach Reaktionsschnelligkeit und Anpassungsfähigkeit entgegenstehen. Wie fast immer aber besteht bei alldem die eigentliche Schwierigkeit nicht darin, „das Richtige“ zu wollen, sondern in der konkreten Umsetzung in der eigenen Organisation. Schaut man beim Thema Umsetzung genauer hin, fallen drei verbreitete Irrtümer ins Auge.

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Irrtum 1: „Einfach mal machen“ ist neu für die Organisation.

Im Grunde genommen wird in allen Organisationen in unterschiedlich hohem Maße immer schon „einfach mal gemacht“: In jedem Unternehmen finden Mitarbeitende tagtäglich Lösungen, ihre Arbeit trotz turbulenter Umwelten zu erledigen, flexibel auf Anforderungen zu reagieren und aufwändige, langwierige bürokratische Entscheidungswege zu umgehen. Diese unsichtbaren Innovationen sind vielleicht nicht immer, sicher aber in vielen Fällen im Sinne der Organisation – sie erhalten den Betrieb über oft relativ starre Grenzen formaler Vorgaben hinaus aufrecht, kürzen manches sinnvoll ab und füllen die Regelungslücken, die sich auch durch das umfassendste Regelwerk nie ganz schließen lassen. Auf der Ebene der Informalität, d. h. dort, wo sich verfestigte Erwartungen darüber gebildet haben, wie man die Dinge in der Organisation „wirklich“ tut, findet sich ein immer wieder überraschend hohes Maß an Kreativität und Eigeninitiative. Vorgesetzte, die in solchen Verhältnissen fordern, Mitarbeitende sollten doch besser aufhören, auf Vorgaben zu warten, und „einfach mal machen“, dürfen sich letztlich nicht wundern, wenn dies wenig mehr als Achselzucken hervorruft.

Irrtum 2: Ob „einfach mal gemacht“ wird, hängt vor allem von den Mitarbeitenden ab.

Wer zu Eigeninitiative ermutigen möchte, sollte sich fragen, ob die Strukturen der eigenen Organisation diese überhaupt zulassen. In stark regulierten Organisationen – man denke bspw. an Banken – sehen sich Mitarbeitende beim Versuch „einfach mal zu machen“ unter Umständen arg begrenzten Handlungsspielräumen gegenüber. Wer dann bestehende Vorgaben umgeht oder unabgestimmt neue Abläufe etabliert, muss formale Reaktionen sorgfältig abschätzen – und wird sich dementsprechend oft hüten, diese Schritte (sichtbar) zu unternehmen. Prozesshandbücher z. B. mögen sinnvoll sein und eine wichtige Funktion für die Organisation erfüllen – aber diese besteht gewiss nicht in der Förderung von Eigeninitiative. Das heißt: Wo immer starke formale Vorgaben bestehen und diese – aus was für Gründen auch immer – möglichst genau durchgesetzt werden sollen, sind die Möglichkeiten der Entfaltung von Eigeninitiativen begrenzt. Damit Handlungsspielräume genutzt werden können, kommt es eben in erster Linie darauf an, dass überhaupt Freiräume für Entscheidungen bestehen. Individuelle Charakterzüge oder Qualifikationen spielen verglichen damit eine eher nachgeordnete Rolle.

Irrtum 3: Damit die Mitarbeitenden „einfach mal machen“, müssen Vorgesetzte lernen, sich zurück- und am besten rauszuhalten.

Es stimmt ja: Wer will, dass Mitarbeitende eigene Initiativen ergreifen und Lösungen für bestehende Probleme finden, der wird weniger einfach anweisen können und für Freiräume sorgen müssen. Freiräume aber sind eben etwas grundsätzlich anderes als Räume der Regellosigkeit. Sie mögen mitunter aus den Initiativen der Mitarbeitenden mehr oder weniger spontan entstehen oder auf informalen Arrangements basieren – sollen sie dauerhaft Bestand haben, müssen Vorgesetzte die Sicherung solcher Freiräume als Führungsaufgabe annehmen. Das aber geht weit über die öffentliche Anerkennung erfolgreicher Eigeninitiativen hinaus und schließt zwingend ein, Umwege, Fehler und Sackgassen als natürliche Wegbegleiter von „Einfach mal machen“ zu begreifen. Denn mit Eigeninitiative geht das Risiko einher, für misslungene Abweichungen als Sündenbock herhalten zu müssen. Ob und – wenn ja – wie eine Initiative von der Organisation aufgenommen wird, lässt sich immer erst retrospektiv beobachten – die Ungewissheit des Ausgangs für die eigene Person inbegriffen. Wird von Mitarbeitenden gefordert, Verantwortung zu übernehmen, bedeutet das eben immer auch – zumindest potenziell – Verantwortlichkeit zu übertragen. Nur dort, wo Fehler gemacht werden dürfen und nicht jeder Test zwingend gelingen muss, werden die Mitarbeitenden auf Dauer eigene Initiativen ergreifen. Nicht erst der Erfolg macht selbstständiges Arbeiten zu einer erwünschten Verhaltensweise, sondern die Tatsache, dass jemand sich allein oder mit anderen und vor aller Weisung auf den Weg gemacht hat und etwas ausprobiert hat. Wo es Vorgesetzten gelingt, dies deutlich zu machen, gibt es Chancen auf Wiederholung solchen Verhaltens. Wo aber auf Fehler am Ende doch persönliche Sanktionen folgen – herrscht bald die alte Ruhe des Wartens auf Weisung von oben.

AutorInnen

Jens Kapitzky

ist Senior Consultant bei Metaplan und verantwortlich für die Metaplan-Akademie.

Finn-Rasmus Bull

ist Consultant bei Metaplan. Daneben forscht er zu postbürokratischen Organisationseinheiten in bürokratischen Organisationen.

Judith Muster

ist Senior Consultant bei ­Metaplan. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Potsdam erforscht sie derzeit die Einführung agiler Inseln in Großunternehmen.

Der Artikel erschien am 23. April 2018 bei http://resources.metaplan.de/.

Die Schwierigkeiten des Einfachen

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