Digitalisierung und Paradigmenwechsel – Deutschland wo stehst du im digitalen Wettrennen?

Thomas Sontheim

Thomas Sontheim

Management Garden Team

1. November 2017
8 Minuten

Mittlerweile ist den meisten klar, was sich hinter der Digitalisierung oder der digitalen Transformation verbirgt und dass diese einiges verändern wird. Mit der Digitalisierung kann man also kaum noch jemanden überraschen. Immer häufiger fällt im Zusammenhang mit der Digitalisierung auch das Wort Paradigmenwechsel – hier ist vielleicht noch nicht ganz klar was es damit auf sich hat und ob die beiden Begriffe tatsächlich auch miteinander in Verbindung stehen.

Grund genug sich diese beiden Themen etwas genauer anzuschauen und in diesem Kontext auch deutsche Unternehmen zu betrachten, um zu sehen wie diese auf die Digitalisierung und/oder einen Paradigmenwechsel reagieren und vorbereitet sind. Aber fangen wir von vorne an:

Was ist überhaupt ein Paradigmenwechsel?

Im Allgemeinen versteht man unter einem Paradigmenwechsel eine drastische Veränderung in den Grundkonzepten, Denkmustern und Herangehensweisen in einem definierten Umfeld, wobei die Veränderungen hierbei für alle sicht- und spürbar sind. Jetzt sagen Sie zurecht: “Googeln hätte ich das auch selbst können”. Von daher will ich den Begriff etwas anschaulicher erklären und mich von den wissenschaftlichen Definitionen entfernen. Der erste Ansatz ist hierbei ganz pragmatisch und findet anhand eines optischen Experimentes statt. Bestimmt kennen Sie alle das folgende Bild. Was sehen Sie?

Ente oder Hase?

Vermutlich haben etwa die Hälfte einen Hasen erkannt und die andere Hälfte eine Ente. Nachdem Sie jetzt gelesen haben was es noch sein kann, werfen Sie einen erneuten Blick auf das Bild. Jetzt sehen Sie vermutlich das jeweilig andere Tier und tun sich schwer das zu Beginn erkannte Tier wahrzunehmen.

In Ihrem Kopf hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Es hat sich eine drastische Veränderung Ihrer Wahrnehmung vollzogen.

Ein anderes eher wirtschaftliches und gesellschaftliches Beispiel stellt die industrielle Revolution aus dem 19. Jahrhundert dar. Es war jahrelang unangefochten wie Arbeitsprozesse, Denkweisen und Verhaltensmuster abzulaufen haben, bis die industrielle Revolution und die daraus resultierenden Möglichkeiten all das über den Haufen geworfen haben. Arbeitsprozesse wurden verkürzt, Arbeit an sich wurde komplett neu definiert und Maschinen übernahmen einen Großteil menschlicher Aufgaben.

Wenn Sie bei den letzten Sätzen gedacht haben, dass Ihnen das irgendwie bekannt vorkommt, muss ich Ihnen zustimmen. Ähnliche Muster lassen sich gerade im Rahmen der digitalen Revolution feststellen und beobachten. Deswegen ist es durchaus verständlich, dass gerade jetzt über einen Paradigmenwechsel gesprochen wird. Wir befinden uns nämlich mitten in einem!

Was ist Paradigmenwechsel noch?

“Was Paradigmenwechsel noch ist” – das ist der Name einer neuen Studie von Safari Consulting, die in Zusammenarbeit mit Oracle angefertigt wurde. Diese Studie hatte zum Ziel den aktuellen Grad des Paradigmenwechsels und dessen Verständnis in deutschen Unternehmen zu analysieren und in Frage zu stellen.

Hierzu wurden digitale Leader, CDOs, Transformation-Projektleiter, Leiter von Personalabteilungen, Strategieleiter und Innovationsverantwortliche interviewt. Die befragten Unternehmen hatten eine kumulierte Lebensdauer von mehr als 400 Jahren, was eine gewisse Erfahrung mit Veränderungen und auch Durchhaltekraft aufzeigt. Konkret konnten wir 4 übergreifende Branchen in die Studie inkludieren. Nämlich: Travel, Service, Wholesale und High Technology.

Heute stelle ich Ihnen ein paar spannende Erkenntnisse aus der Studie vor.

Die deutschen Geschäftsmodelle sind nicht bedroht

 

Zunächst die beruhigende Erkenntnis für alle Leser. Gemäß den Ergebnissen der Studie sind deutsche Geschäftsmodelle nicht von der Digitalisierung bedroht. Die Interviewpartner sehen durchaus die Veränderungen und Gefahren von Startup und Tech-Giants wie Google und Amazon aber sehen ihre eigenen Geschäftsmodelle als so besonders und einzigartig an, dass diese in keinster Weise bedroht sind.

Ja Sie haben recht, auch aus unserer Sicht ist diese Einschätzung ein gewisses Paradoxon und im Endeffekt auch ein Trugschluss. Ein Paradigmenwechsel, wie oben erklärt, zeichnet sich durch drastische Veränderungen aus. Diese Veränderung wird von allen spürbar sein. Die Geschäftsmodelle aller Unternehmen werden angreifbar sein und müssen sich früher oder später damit auseinandersetzen, sich zu adaptieren oder neue, vielleicht disruptive, Wege einzuschlagen. Vereinzelt wird dies auch schon gemacht, wie sie der Studie entnehmen können.

Schwierigkeiten bei der Übersetzung zwischen Strategie und Implementierung

Ein weiteres Ergebnis, das sich relativ deutlich gezeigt hat war, dass es in den meisten Unternehmen Schwierigkeiten gibt, die Übersetzung zwischen Strategie und Umsetzung zu verwirklichen.

 

In der Befragung hat sich das darin bemerkbar gemacht, dass alle Unternehmen eine gefühlt klare Strategie in dem Bereich Innovation ausgegeben haben und sich alle befragten Führungskräfte hier gut aufgestellt sehen. Auf der anderen Seite erkennen sie auch, dass nur wenige Ergebnisse aus den Innovationsvorhaben tatsächlich zum gewünschten Erfolg führen und beispielsweise nur wenige neue Produkte tatsächlich die Marktreife erlangen. Ein Widerspruch, der den Schluss zulässt, dass:

  1. doch keine klare Strategie bezüglich Innovation verfolgt wird
  2. die Umsetzung von Innovation schwieriger ist als gedacht
  3. oder tatsächlich die Übersetzung nicht gelingt.

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Letzteres ist eine Beobachtung die ich persönlich diverse Male miterleben durfte. Die Ebene des mittleren Managements tut sich schwer die strategischen Ziele und Aufgaben in die operative Umsetzung zu transferieren und einzugliedern. Das beginnt bei unklaren Strategien durch das oberste Management („Das machen wir jetzt einfach so“) und endet mit aktuellen Situationen, die innerhalb des Tagesgeschäftes erledigt werden müssen und jeglichen Innovationsvorhaben untergeordnet werden („Den Deal mit dem Top-Kunden dürfen wir nicht verlieren“). Hier eine Transparenz und Klarheit herzustellen stellt eine der größten Herausforderungen für die aktuelle Zeit dar.

Fachkräftemangel für die Digitalisierung

 

Eines der größten Themen bei allen Befragten war der Bedarf an Mitarbeitern, die ein gewisses digitales Mindset haben, welche innovativ Denken, neue Methoden mitbringen und eine Multiplikatorenrolle in den Unternehmen einnehmen. Es ist nämlich auch deutlich geworden, dass lange noch nicht alle Mitarbeiter verstanden haben, dass die Digitalisierung eine drastische Veränderung mit sich bringt.

Viele Mitarbeiter können oder wollen sich einfach nicht mehr damit auseinandersetzten und wollen sich auch selbst nicht mehr verändern und damit auseinandersetzen. Aber um als Unternehmen weiterzuleben, braucht es eine kritische Masse an kreativen Köpfen, die man leider nicht von heute auf morgen findet.

Aber auf jeden Fall werden Entrepreneuere, Intrapreneure und motivierte Mitarbeiter mit offenen Armen in den meisten Unternehmen empfangen.

Es wird viel Geld in Innovation investiert

Zum Abschluss noch eine positive Erkenntnis der Befragung. Es gibt durchaus ein hohes Maß an Investments, die in den befragten Unternehmen in Innovationsvorhaben gesteckt werden. Auch aus den Erfahrungen mit dem Wettbewerb zeigt sich ein ähnliches Niveau. Wenn man jedoch etwas genauer schaut und sich fragt in welche Art von Innovation dieses Geld investiert wird, dann wird in der Mehrheit deutlich, dass es darum geht den bestehenden Vorsprung auf den Wettbewerb auszubauen oder den Rückstand aufzuholen. Klassisches Business Development reduziert sich also nachwievor auf bestehende Märkte und Produkte sowie diese zu optimieren. Die wenigsten Investments fließen in disruptive Maßnahmen, welche die neuen Möglichkeiten der digitalen Welt ausloten und versuchen ganz neue Märkte zu eröffnen. Dabei spreche ich nicht von einem neuen Facebook, sondern von einer Diversifikation seiner Bemühungen, um unabhängiger von einem einzigen Geschäftsmodell und ein paar wenigen Zielgruppenmärkten zu sein.

 

Von daher eine kleine Ernüchterung, da die Investitionen aus meiner Sicht noch häufig Innovationstheater sind und noch nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen. Ein weiteres Indiz hierfür sind die tatsächlichen Themen, die aktuell bearbeitet werden und welche Themen die größten Herausforderungen und Chancen für unsere Befragten sind.

Mein persönliches Fazit

Um ehrlich zu sein, war ich bevor wir die Studie durchgeführt haben relativ positiv gestimmt und ich war mir sicher, dass die Dringlichkeit und die aktuelle Situation verstanden wurde und die ersten Schritte bereits eingeleitet wurden.

Dies hat sich sich leider etwas geändert, als ich die Ergebnisse und vor allem die teilweise widersprüchlichen Antworten gesehen habe. Ich bin sicher, dass auf der Führungsebene ein Verständnis herrscht, dass man sich in unvorhersehbaren Zeiten befindet. Jedoch wurde dies noch nicht in konkrete Maßnahmen übersetzt. Auch weil die breite Masse inhaltlich noch viel zu weit von dem Thema entfernt ist und hier noch sehr viel Pionierarbeit geleistet werden muss, um überhaupt die Rückendeckung für neue Wege zu bekommen.

Ich sehe das auch als Möglichkeit für unsere Generation, hier die Wege zu bereiten, sich auszuzeichnen und die Zukunft zu gestalten.

Es scheint nachwievor so zu sein, dass sich aktuell lediglich eine kleine Gruppe an Wissenden zusammentut und nach gemeinsamen Wegen sucht. Dieser Austausch muss gefördert und gestärkt werden, sodass sich in ein paar Jahren zeigen wird, ob man immer noch eine Ausnahme ist oder ob man eine kritische Masse erreicht hat, welche die Zukunft tatsächlich nachhaltig gestalten kann.

Die ganze Studie von Safari Consulting und Oracle werden wir Ihnen in wenigen Wochen auf dem Innovationsblog als Download zur Verfügung stellen. Stay tuned!

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Thomas Sontheim
Thomas Sontheim

Management Garden Team

Thomas Sontheim ist zuständig für Produktinnovationen und erfolgreiche Geschäftsmodellentwicklung. Die Probleme deutscher Konzerne aus ihrem Kern heraus innovativ zu sein, beschäftigen ihn seit geraumer Zeit. Im Telekommunikations- und Medienumfeld sucht er ständig nach neuen Lösungsansätzen für dieses Problem.

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