Exponentielles Wachstum: Der geheime Schatten der Innovation

Andreas Pihan

Andreas Pihan

Management Garden Team

12. August 2015
11 Minuten

Sie könnte die Dunkle Materie – die treibende Kraft – der Innovation sein: Eine, die dieses Mal nicht unsere Beobachtungen des Universums zu dem macht, was und wie es ist, sondern – zur Abwechslung – den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen als Treibmittel innewohnt. Was ist sie, und wo kommt sie her? Grundlegende Fragen zu exponentiellem Wachstum in einem Umfeld, in dem wir eigentlich geglaubt haben, dass wir die Zügel völlig in der Hand haben: Der Innovation!

Eigentlich sollte es keiner von uns wirklich glauben können – am wenigsten wahrscheinlich Gordon Moore selbst: Das nach ihm benannte Mooresche Gesetz stimmt. Und das stellt uns vor ein Problem – denn wir wissen nicht warum.

 

In seiner Publikation beschreibt er, dass die Anzahl der Transistoren, die auf einem Computer Chip platziert werden können, sich ungefähr alle zwei Jahre seit 1958 verdoppelte und, dass es wahrscheinlich sei, dass sie sich auch in Zukunft verdoppeln werden. Nun, das war im Jahr 1965. Jetzt, im Jahr 2015, sehen wir, wie zuverlässig seine Aussage war und, dass das, was er damals nur vermuten konnte, stimmt. Die Anzahl der Transistoren, die man in den vergangenen Jahrzehnten für 1000$ bekommen konnte, waren ziemlich genau in dem Rahmen, den Moore damals schon erwartete. 110 Jahre lang stimmt nun dieses Postulat schon – auch vollständig zurückgerechnet auf die Vergangenheit – das bringt uns zu wieder zu unserer ursprünglichen Frage: Warum?

 

Viele scheinen darüber nachgedacht aber dennoch keine Antwort gefunden zu haben. Es scheint wie Hexerei, dass immer, wenn eine Technologie ausgereizt an ihren eigenen, physikalischen Grenzen stand, eine andere aufkam, die die Gesetzmäßigkeit, die hinter Moores Aussage zu stehen scheint, weiterführte. Nahtlos und unverbindlich.

 

Beachtlich ist auch die unglaubliche Glätte des Innovationsgraphen. Es ist kein sprunghafter Ausschlag zu sehen, keine Delle, kein Sattel, auf dem sich die Innovationskraft ausruht, um danach unbeirrt weiterzumachen. Besser hätte man es einfach nicht einzeichnen können. Der Graph ist sogar ein wenig nach oben gekrümmt, er wird also in ihrem Wachstum immer schneller (bei logarithmischem Auftragen ist ein exponentielles Wachstum eine Gerade). Dieser Anstieg ist erstaunlicher Weise nicht nur bei Computer Chips zu sehen, sondern auch bei der Speicherentwicklung, der Entwicklung von Arbeitsspeicher, den Fortschritten bei der Bandbreite und noch vielen, vielen mehr. Und wieder bleibt diese eine Frage: Warum?

 

Eine unbekannte Welle, auf der die Technologien reiten

Eine andere Beobachtung, die der Frage weitere Bedeutung verleiht, ist die, dass alle innovativen Technologien, die man als Kern der Entwicklungen betrachtet, im Wesentlichen von der Weiterentwicklung der Computer angetrieben werden. Je kleiner, schneller und billiger die Chips werden, je ausgefeilter die Technologien sind, mit denen sie hergestellt werden, desto weitreichender werden auch die Kräfte, die diese Technologien vorantreiben.

 

Es könnte eine Welle sein, auf der Technologien wie künstliche Intelligenz, Robotik, 3D Druck, synthetische Biologie, Materialwissenschaften und die Sensorik reiten, und durch die sie immer weiter befeuert werden. Fortschritte im Bereich der Chipherstellung haben schon immer weitreichende Bedeutung für diese Technologien gehabt.

 

Doch nicht nur das. Je schneller und günstiger Computerchips werden, desto schneller und günstiger werden auch die Folgetechnologien, die auf ihnen aufbauen. Die Frage ist jedoch, wie weit diese Entwicklung gehen wird. Wird sie irgendwann einmal an einem Punkt angekommen sein, an dem sie halt macht? Was passiert, wenn die Miniaturisierung den Schritt über atomare Größenordnungen machen muss? Wie wird sie das machen, wird sie das überhaupt? Und warum?

 

Technologie als soziales Resultat

Glaubt man Ray Kurzweil in seinem Artikel “Mind boggling predictions for the next 25 years”, dann entsteht dieses unglaubliche Wachstum durch Feedbackschleifen. Die vorangegangene Generation verhilft der nachfolgenden zu noch schnellerem Wachstum und so weiter. Dem 386er Chip von Intel folgte der 486er, dann die Pentium Chips und all die bekannten Generationen bis zur heutigen. Schnellere und leistungsfähigere Computer helfen also schnellere und leistungsfähigere Computer zu bauen.

(Tracing Exponential Growth der Singularity University auf Vimeo)

 

Aber das ist noch nicht alles. Allein schon das Vorhandensein des Mooreschen Gesetzes könnte dazu führen, dass die Planung von Technologie zum Selbstläufer wird. Eine solche Selbstgenese ist aber noch lange keine zufriedenstellende Antwort auf das Problem. Das exponentielle Wachstum tritt beobachtbar in vielen verschiedenen Sparten innovativer Schaffenskraft auf. Was also ist es?

 

Während sich einige immer noch Gedanken darüber machen, ob und wie wir in der Lage sein werden, noch vor unserem Tod unser Bewusstsein in eine Computermatrix hochzuladen, bemühen sich Menschen wie Jason Bloomberg immer noch um eine Antwort. Fragt man ihn nach seiner Erklärung, so bekommt man sehr schnell zu hören, dass man große Menschenmassen als komplexes, adaptives System sehen sollte, in dem die Innovationskraft als maßgebliches Kriterium gesehen werden muss.

 

Wie er in einigen Erklärungen erläutert, entwickeln solche Systeme, wenn sie von niedriger Verbindungsrate zu einer hohen Rate gebracht werden, unglaubliches Innovationspotential. Ebenso können Störungen in Verbindung mit einem losen Zusammenhang des Systems eine schnelle Anpassung und hohe Innovation zur Folge haben.

 

Aufstrebendes Verhalten entsteht laut Bloomberg als Muster aus der allgemeinen, gleichförmigen Masse, wenn entsprechende externe Anreize gesetzt werden. Nimmt man zum Beispiel einige unabhängige Akteure, wie zum Beispiel Wissenschaftler, Unternehmer oder Ingenieure, und setzt ihnen einige externe Motivationen entgegen, wie zum Beispiel dem Antrieb sein Kapital gewinnbringend einzusetzen, dem menschlichen Bedürfnis aus seinem Leben etwas zu machen und etwas neues zu entdecken, erforschen oder zu erfinden, dann wird man die Muster finden, die wir heute in verschiedenen Bereichen sehen: Das exponentielle Wachstum der verschiedensten Disziplinen.

 

Exponentielle Innovation als Erweiterung auf die Organisation

Diese Gesetz findet man auch außerhalb der menschlichen Rasse bei verschiedenen evolutionären Prozessen, weshalb auch die Evolution als ein Beispiel erwähnt sollte. Von den Einzellern, über die Kambrische Explosion, bis heute, verfolgt die Evolution ein exponentielles Wachstum.

 

Technologie und exponentielle Innovation ist aber in erster Linie eine rein menschliche Entdeckungsreise und unterliegt daher auch diesen Gesetzen. Immerhin sind auch die wichtigsten Komponenten eines noch so komplexen Systems nicht die technologischen Subsysteme, sondern der Mensch an sich. Was ist jedoch die Grundlage, auf derer sich das alles aufbaut? Die Antwort ist: Selbstorganisation, ein Vorgang, der Dinge so groß wie Sonnensysteme und so klein wie einzellige Lebewesen kontrolliert. Ganze Galaxien folgen diesen Gesetzmäßigkeiten bei der Bildung von Galaxienhaufen, Sonnensystemen, wir Menschen und auch die kleinen Pantoffeltierchen aus dem Biologieunterricht, bis hin zu den Viren und den einzelnen Elementen, die irgendwann angefangen haben unsere DNA zusammenzusetzen.

 

Wie können wir diese für Unternehmen nutzen?

Innovation ist – nur für den Fall, dass sie es noch nicht wissen – ein sehr irreführender Begriff. Im alltäglichen Sinne ist es eher eine Beschreibung von ‘mehr Leistung’ und ‘sich mehr anstrengen’, zu ‘optimieren und zu perfektionieren’, doch diese Strategie hat sich als genau irreführend erwiesen. Nimmt man zum Beispiel die damals innovative Hochsprungtechnik ‘Fosbury-Flop’, fällt auf, dass dieser nicht mehr sonderlich viel mit dem damals vorher weit verbreiteten ‘Struddle’ gemein hatte. Wie auch in vielen anderen Beispielen, ist es für alle beteiligten von großem Vorteil, die äußeren Bedingungen zu analysieren. Auch Unternehmen tun gut daran, denn schlichte Appelle an die Mitarbeiter der Richtung ’Seid innovativ!’ helfen erfahrungsgemäß relativ wenig.

 

Welche Voraussetzungen benötigen also Innovationen?

Wie Bloomberg es schon sagte, hat eine hohe Vernetzungsdichte in selbstorganisierten, lebendigen Systemen eine wachsende Komplexität und Veränderungsgeschwindigkeit zur Folge. Sie führen zu einer raschen Ordnung und Neubildung – sprich zur organischen Optimierung. Grundlegende Neuordnungen – und damit auch Innovationen – haben allerdings eine wesentliche Voraussetzung: Die der Instabilität.

 

Derzeit findet auch in der Wirtschaft eine hochgradig komplexe und immer fortschreitende Vernetzung statt: Das Internet. Man stelle sich hier nun einmal die evolutionären Vorteile extrapoliert auf die Wirtschaft, Kultur und die Politik vor, sie wären immens. Diese exponentiell ansteigende Dichte der Teilnehmer wird ausschließlich vom Internet angetrieben. Natürlich gibt es dort viel unnützes Zeugs, das steht außer Frage, aber Sie führt – das haben wir beispielsweise in der Neurologie gelernt- zu einer außerordentlich hohen Geschwindigkeit an Neuerungen und Anpassungserscheinungen – und auch zu einer hochgradigen Instabilität, mit den Konsequenzen für eben jene Schnelligkeit und den Folgen für die Innovationskraft des gesamten Systems.

 

Welche Fähigkeiten braucht man also als Unternehmen?

Für die meisten deutschen Unternehmen gilt es derzeit wegen der globalen Vernetzung und des großen Wettbewerbs die bisherigen Zustände der stabilen Märkte aufzugeben und neue Marktpositionen einzunehmen, um sich innerhalb des globalen Marktes neu zu positionieren. Für die kontinuierliche Neufindung der Wirtschaftsordnung ist die Fähigkeit der Selbstorganisation die einzig wirkungsvolle Herangehensweise an ein nachhaltiges, erfolgsversprechendes Management.

 

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Phasen der Instabilität, des Leistungseinbruchs und des organisationsweiten Lernens sind daher wichtige Voraussetzungen. Leistungsträger sollten lernen, die Instabilität zuzulassen und sich auf die Konsequenzen – ungeachtet dessen, ob sie ihnen gefallen oder nicht – einlassen können. Lösungsvordenker in Gestalt von Entscheidungsträgern sind eher nicht gefragt, da Instabilität und Dezentralisierung, wie wir gelernt haben, besser sind als es viele zu denken mögen.

 

Früher hatte der Unternehmer als Einziger die Verantwortung über die Organisation. Heutzutage kann dies allein schon wegen der zunehmenden Komplexität der Vorgänge nicht mehr so sein. Interne Teambildung, abteilungsübergreifende Netzwerke und das ‘Kürzertreten’ von dem altmodischen Chef/Vorgesetzten-Denken, sollten in der Lage sein, die kollektive Intelligenz des Unternehmens hervorzubringen.

 

Die Faszination und Begeisterung der Mitarbeiter ist Wegbereiter, grundlegende Veränderungen zu erzwingen. Bestenfalls kommt dann die Belegschaft in eine ‚Yes we can‘ Stimmung, die sie dann in die Lage versetzt, alte, gewohnte Bahnen zu verlassen und das unkalkulierbare Risiko in Kauf zu nehmen. Schon der Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry hätte es treffender nicht formulieren können: ‘Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, die Holz beschaffen, Aufgaben verteilen oder einfach arbeiten, sondern zeige ihnen die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.’

 

Lassen sie sich nicht täuschen, das Haifischbecken ist immer noch ein Haifischbecken. Nur ist aus dem ‘Die Großen fressen die Kleinen’ ein die ‘Schnellen fressen die Langsamen’ geworden – ohne irgendwelche Rücksicht auf die eigentliche Größe des zu Fressenden zu nehmen. Durch das Internet ist der Kontakt aller Akteure viel unmittelbarer, viel direkter und auch die Geschwindigkeit von Informationen ist so schnell geworden, dass Firmen ohne entsprechende Gegenmaßnahmen verschwinden werden. Nutzen Sie die Ressource Mensch! Sie ist letztlich der Schlüssel zum exponentiellen Wachstum.

 

Viel wird passieren, wenn man denkt, dass sich der Erfolg mit den Mitteln des letzten Jahrhunderts einstellt, denn die Welt schreitet unaufhörlich – exponentiell – voran.

Fragt man viele der größten Internet Unternehmen wie zum Beispiel Google oder Netflix ist es immer dasselbe: Sie schwören schon auf die Selbstorganisation; Grund genug für Sie das auch zu tun!

Zum Weiterlesen verweise ich auf unseren spannenden Artikel Vor der Kernschmelze: Innovation in exponentieller Geschwindigkeit.

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Andreas Pihan
Andreas Pihan

Management Garden Team

Andreas Pihan hat langjährige Erfahrungen in den Bereichen Asset Management, Privatbanken, Medien, Retail und e-Commerce Branche. Ganz besonders interessiert er sich für den Aufbau, die Validierung und die Realisierung von neuen digitalen Geschäftsmodellen sowie für neuartige Produkt- und Marketingstrategien. Zudem ist er Autor von verschiedensten Publikationen zu Themen wie Digitale Transformation, Produktinnovationen und Internet of Things.

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