Was deutsche Unternehmen vom Silicon Valley lernen können

Daniel Tyoschitz

Daniel Tyoschitz

Management Garden Team

14. Februar 2018
6 Minuten

Silicon Valley, das Mekka der Innovation. Bereits 21 der 30 DAX Unternehmen haben permanent Kollegen aus der Heimat in die kalifornische Sonne geschickt – und die restlichen kommen häufig zu Besuch. Mittlerweile ist das Silicon Valley-Fieber auch beim deutschen Mittelstand ausgebrochen, wo sich ebenso gesamte Reisegruppen auf den Weg ins Tal der Innovationen machen.

Das Ziel der Pilger-Gruppen ist klar definiert: Sie sind auf der Suche nach Inspiration und Innovation. Sie wollen von den Unternehmen lernen, die die Welt verändern. Google, Apple, Facebook, Twitter, Instagram, Uber, Airbnb, Tesla und viele mehr sind dort zuhause, wo gestandene Unternehmenslenker gerne zu Besuch sind.

Aufgrund der hohen Nachfrage gibt es inzwischen sogar spezialisierte Dienstleister, die dem Business-Tourismus mit zielgerichteten Angeboten entgegenkommen. Man muss wissen: Das Silicon Valley ist ein geschlossenes Ökosystem mit eigenen Spielregeln. Meetings bekommt man in den meisten Fällen nur, wenn man von einem gemeinsamen Kontakt empfohlen wird und es darüber hinaus einen beidseitigen Nutzen gibt. Deshalb ist es durchaus schwierig ohne lokales Netzwerk selbst eine Tour mit vielen wertvollen Gesprächen zu organisieren.

Im Valley angekommen, geht es dann zu den großen Firmen wie Google, zu einigen Startups, Investoren sowie Accelerator-Programmen und abends zu verschiedenen Networking-Events. Nach vier Tagen, vollgepackt mit inspirierenden Meetings, gönnt man sich am Freitag meist eine Sightseeing-Tour durch San Francisco. Während das alles nach Spaß klingt und die schicken Smartphone-Bilder in aller Regel auch danach aussehen, sieht die Wirklichkeit anders aus.

Unternehmen, die eine Tour ins Valley machen, wollen lernen wie sich die Welt verändert und wie es sein kann, dass eine Gegend, die gerade mal 70 km x 30 km groß ist, es schafft, gesamte Industrien zu verändern. Nach einer Woche sind die Teilnehmer inspiriert, hoch motiviert und eingeschüchtert zugleich. Sie wissen, dass es riesige Veränderungen und Möglichkeiten gibt, jedoch realisieren sie auch, dass ihre Unternehmen noch nicht zu den aktiven Gestaltern von morgen gehören.

Doch was tun? Nach einer Woche kommt man zurück in den Alltag und muss seinen täglichen Verpflichtungen nachgehen. Und nach wenigen Wochen merkt man bereits wie die eigene Inspiration vom Tagesgeschäft verschlungen wird. Selbst als CEO ist es schwierig seinen Tatendrang auf die Organisation zu übertragen. Also bleibt nur eine Möglichkeit, um langfristig am Puls der Zeit zu bleiben: Innovation Scouts!

Mittlerweile ist das Silicon Valley nicht nur der größte Startup Hotspot, sondern auch das größte Cluster etablierter Unternehmen. Hunderte traditionelle Unternehmen aus aller Welt haben Mitarbeiter permanent in die USA entsendet, die nach neuen Innovationen suchen und die Geschäftsführung regelmäßig auf den neusten Stand bringen.

Unternehmen, die nicht nur zusehen wollen, investieren aktiv in vielversprechende Startups und sichern sich einen Anteil am zukünftigen Erfolg. Andere wiederum, die es sich finanziell leisten können, eröffnen direkt einen Outpost und lagern einen Teil des R&Ds für neue Produkte aus. Doch was ist die Konsequenz? In der Regel überlebt 1 aus 10 Startups längerfristig und somit gehen die meisten Corporate Venture Capital Fonds am Ende leer aus. Dies wird allerdings nicht als Fehlschlag gesehen, da das primäre Ziel nicht Gewinnmaximierung, sondern Lernen ist. Durch den aktiven Austausch als Investor verspricht man sich vor allem über neue Technologien zu lernen, um diese eines Tages im Kerngeschäft einsetzen zu können.

Die Unternehmen, die einen Innovations-Outpost eröffnen, wollen volles Commitment zeigen. Ein Outpost ist ein Ort, an dem die Produkte der Zukunft kreiert werden. So arbeitet Daimler an autonomen Fahrzeugen und die Telekom an Projekten wie Smart City. Doch wie innovativ ist ein Mitarbeiter, der mit einem deutschen Vertrag nach Kalifornien geschickt wird? Persönlich ist es vermutlich eine tolle Sache. Man darf in der Sonne leben, hat akzeptable Arbeitszeiten, ein sicheres Gehalt (plus Auslands-Zuschläge) und wird dafür bezahlt sich ein exklusives Netzwerk aufzubauen.

Und wie sieht es aus Unternehmens-Perspektive aus? Man investiert mehrere Millionen Euro jedes Jahr, hat aufgrund der Zeitverschiebung Kommunikationsschwierigkeiten mit den Teams vor Ort und steht in unmittelbarer Konkurrenz mit Google und Co. um die besten Talente. Darüber hinaus kommen die eigenen Leute häufig selbst auf den Geschmack und wollen zu Valley Startups wechseln oder die Gelegenheit als Sprungbrett nutzen, um selbst zu gründen. Ganz sicher ist das keine optimale Situation.

In meiner Zeit im Silicon Valley ist mir vor allem aufgefallen, dass die meisten Besucher und Entsandten nicht völlig verstehen, weshalb das Valley so erfolgreich ist. Zugegebenermaßen – es ist auch nicht ganz einfach, wenn man nur kurz zu Besuch ist. Selbstverständlich spielt die technologische Komponente eine wichtige Rolle, jedoch weniger greifbare Dinge wie Unternehmenskultur und Arbeitsmethoden eine wesentlich wichtigere. Ein Programmierer, Ingenieur, Designer oder Business Developer kann unter Umständen schnell eingestellt werden, eine unternehmerische Kultur und effektive Arbeitsprozesse benötigen hingegen Zeit.

Arbeitet man mit und in Silicon Valley-Unternehmen wird eines schnell klar: Sie arbeiten agil! Bei allen Tätigkeiten steht der Kunde im Zentrum. Probleme werden beobachtet, Annahmen getroffen, Prototypen gebaut, mit Kunden gesprochen, Ergebnisse gemessen, Annahmen verändert, Prototyp-Anpassungen vorgenommen, usw. Und all dies am bereits in den Markt eingeführten Produkt. Reid Hofmann, LinkedIn-Gründer, sagte einst: If you’re not embarrassed by your first product, you’ve launched too late.“

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Beim agilen Arbeiten steht kundenzentrisches Handeln und iteratives Vorgehen im Vordergrund, um so zeitnah und kostengünstig das Produkt entwickeln zu können, welches der Kunde wünscht. Scrum, Design Thinking oder Lean Startup sind einige dieser Methoden, die die Arbeitsweise prägen und in Deutschland, wenn überhaupt, meist nur halbherzig umgesetzt werden.

Doch wieso sind es gerade diese Methoden, die in der heutigen Zeit am besten passen?

Die Digitalisierung verändert alle Branchen. Markteintrittsbarrieren schwinden und neue Player, mit wesentlich weniger Ressourcen, können plötzlich zum größten Konkurrenten werden. Diese Dynamisierung verringert die Planbarkeit und Vorhersehbarkeit, weshalb Tools, welche in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich waren, keinen zukünftigen Erfolg versprechen.

Nach wie vor ist es wichtig ein klares Zielbild, eine Vision, vor Augen zu haben. Jedoch ist der Weg, wie das Ziel erreicht wird, nicht mehr so geradlinig wie früher. „Das haben wir immer schon so gemacht“, funktioniert nicht mehr! Drei-Jahres-Pläne und Wasserfallmodelle gehen nicht mehr auf. Die Unternehmen, die es schaffen sich an die Gegebenheiten der heutigen Zeit anzupassen und sich zu transformieren, werden langfristig überleben. Diejenigen, die sich gegen Agilität stellen und an dem Altvertrauten festhalten, sehen einer ungewissen Zukunft entgegen.

Sicherlich ist es nicht einfach sich selbst von seinen Gewohnheiten zu lösen oder sogar als Führungskraft seine Mitarbeiter dahingehend zu bewegen. In Zeiten großer Veränderungen wird das Thema „Leadership“ immer wichtiger. Somit liegt es an der Führungskraft die Unsicherheiten der Mitarbeiter in Sicherheit zu verwandeln. Dies bedeutet, dass neue Arbeitsweisen und Denkansätze nicht von heute auf morgen, sondern als anhaltender Prozess eingeführt werden. Veränderung wird zum Status Quo! Dabei ist das TUN wichtiger als das ERKLÄREN! Agile Methoden wie Scrum, Design Thinking oder Lean Startup, müssen erlebbar gemacht werden, um gelebt werden zu können. Ähnlich wie bei einem Gesellschaftsspiel, dessen Regeln man häufig erst richtig verstanden hat, nachdem ein paar Durchgänge gespielt wurden.

Möchten deutsche Unternehmen vom Silicon Valley lernen, ist es natürlich wichtig sich alles einmal vor Ort angesehen zu haben. Doch darf man nie vergessen, dass der Wandel nur von innen heraus kommen kann. Der Raucher hört nicht auf zu rauchen, wenn es ihm von außen gesagt wird, sondern nur, wenn er von innen davon überzeugt ist. So ist es auch mit Organisationen, die sich verändern wollen.

Wir haben unglaublich tolle Talente in Deutschland, die in einem Umfeld arbeiten wollen, indem sie sich fern von traditionellen Konzernstrukturen und Unternehmenspolitik innovativen Ideen widmen können. Große Ideen haben wir, die notwendigen Fähigkeiten in der Regel auch. Nun lasst uns die Arbeitsmethoden lernen und praktizieren, welche das Silicon Valley so erfolgreich machen!

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Daniel Tyoschitz
Daniel Tyoschitz

Management Garden Team

Daniel ist ein international erfahrener Entrepreneur und Innovation Coach. Seit seinem 16. Lebensjahr beschäftigt er sich mit Innovationen, Disruption und Digitaler Transformation von etablierten Unternehmen. Er verbrachte mehrere Jahre im kalifornischen Silicon Valley und unterstützte weltweit Führungskräfte dabei die Erfolgs-DNA von High Growth Unternehmen zu verstehen.

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