Wer sagt, dass die Verwaltung nicht agil sein kann?

Steve Denning

Steve Denning

Gastbeitrag

5. Oktober 2020
7 Minuten

Da die globale Pandemie weiterhin eine massive Disruption erzwingt und den Wandel beschleunigt, ist die Notwendigkeit einer größeren institutionellen Agilität überall offensichtlich. Führende Unternehmen des privaten Sektors haben den Weg vorgegeben: Firmen, die im agilen Management relativ weit fortgeschritten sind, haben die Disruptionen viel besser bewältigt als traditionell geführte Firmen, während die führenden agilen Organisationen ein beispielloses Niveau der Marktkapitalisierung erreicht haben.

Der Bedarf im öffentlichen Sektor ist ebenso groß, wo Behörden wie das Gesundheits- und Finanzwesen täglich Außerordentliches leisten müssen. Gerade rechtzeitig hat der US-Rechnungshof (Government Accountability Office, GAO) einen ausgezeichneten, ausführlichen Leitfaden zur Bewertung agiler Unternehmen veröffentlicht. Der Leitfaden stellt Wirtschaftsprüfern, Behörden und anderen optimale Prinzipien und Praktiken vor, die ein agiles Management in der Verwaltung ermöglichen. Jeder kann auf diesen Link klicken, um den Leitfaden zu lesen und dem GAO Vorschläge zur Verbesserung des Leitfadens in den kommenden 12 Monaten zu unterbreiten. Ein großer Teil des Berichts ist auch auf den privaten Sektor anwendbar.

Die Notwendigkeit, die Leistung der Verwaltung bei der Softwareentwicklung zu verbessern, ist klar, und die Aufgabe ist groß. Die IT-Ausgaben der US-Regierung belaufen sich im kommenden Jahr auf rund 90 Milliarden Dollar. Allzu häufig sind in den letzten Jahren bei IT-Programmen Kostenüberschreitungen und Zeitplanabweichungen aufgetreten, während sie nur wenig zu den anvisierten Ergebnissen beigetragen haben. Die IT-Verwaltung der Behörden steht nach wie vor auf der Hochrisikoliste des GAO.

Das Thema Agilität in der Behörden ist nicht neu. Seit 2014 müssen die US-Bundesbehörden bescheinigen, dass umfassende IT-Investitionen die inkrementelle Entwicklung angemessen umsetzen, einschließlich der agilen Softwareentwicklung, die von vielen Bundesbehörden übernommen wurde. Der Bericht skizziert in Kapitel 2 die Hürden und Hindernisse, die bei der Umsetzung dieses Auftrags aufgetreten sind.

Im Jahr 2018 stieß das Verteidigungsministerium (Department of Defense, DoD) auf eine so große Menge fragwürdiger Aktivitäten, dass es einen Leitfaden mit dem Titel “Detecting Agile BS” herausgab, in dem anerkannt wurde, dass Softwareentwicklungsprojekte des DoD zwar fast standardmäßig als “agil” deklariert wurden, in Wirklichkeit aber oft nur dem Namen nach agil waren.

Skeptiker innerhalb und außerhalb der Behörden stellen manchmal in Frage, ob eine Regierungsbehörde angesichts der langen Geschichte der Bürokratie, der Art der Behördenarbeit und des politisierten Umfelds jemals agil sein könnte. Der Leitfaden des GAO zeigt jedoch Schritt für Schritt auf, wie der Übergang von Bürokratie zu Agilität vollzogen werden kann. Der Leitfaden gibt Beispiele von Behörden, bei denen die Hürden überwunden wurden.

 

Stärken des GAO-Berichts

Der GAO-Bericht macht viele Dinge richtig.

  • Der Bericht ist umfassend: Auf 268 Seiten enthält er fast alles, was Sie über die agile Softwareentwicklung wissen wollten, aber nicht zu fragen wagten.
  • Er bringt die Kernprinzipien von Agilität auf den Punkt: Kundenfokus, selbstorganisierende Teams und Wissensaustausch über Organisationsgrenzen hinweg.
  • Er erkennt die zentrale Stellung des Kunden an (265 Erwähnungen).
  • Er betont die Notwendigkeit zur Anpassung (125 Nennungen) der Gesamtstruktur, des Ansatzes und der Werte der Behörde.
  • Er betont, dass Agilität einen großen Wandel in der Kultur weg vom traditionellen Management ist
  • Er betont die Bedeutung der agilen Denkweise und nicht nur der agilen Werkzeuge und Praktiken.
  • Er erkennt an, dass Agilität nicht überall anwendbar ist.
  • Er warnt davor, eine Implementierung von Agilität zu überstürzen, ohne die Unterstützung von der Organisationsspitze zu erhalten.
  • Er enthält viele praktische Geschichten und Anekdoten, die die Fallstricke aufzeigen, die in bestimmten Handlungskontexten aufgetreten sind.
  • Er zeigt im Detail auf, wie Behördenkontrolle und Beschaffungsprozesse an ein agiles Management angepasst werden können.
 

Den Bericht verbessern

Da der GAO um Vorschläge bittet, würde ich Folgendes anbieten:

  • Mehr positive Geschichten:  Die vielen Lernanekdoten sind wertvoll, aber sie sind nicht immer inspirierend. Wie in den meisten Prüfungsberichten liegt die Betonung auf dem Negativen: was schiefgelaufen ist. Die Geschichte zeigt, dass Menschen viel mehr von positiven Geschichten inspiriert werden. Tatsächlich werden einige der besseren Anekdoten von einer positiven Geschichte begleitet, die zeigt, wie das Problem von einer bestimmten Behörde bewältigt wurde. Es wäre hilfreich, wenn in der nächsten Ausgabe des Berichts mehr positive Geschichten in die Lernanekdoten aufgenommen würden, zumindest soweit sie verfügbar sind.
  • Anerkennen, dass dauerhafter Erfolg bei Agilität ständige Wachsamkeit erfordert: Obwohl der Bericht betont, dass die Umstellung auf Agilität eine große Veränderung darstellt, könnte er die Herausforderung noch unterbewerten. Traditionelle Managementpraktiken des 20. Jahrhunderts sind in der gesamten Wirtschaft weit verbreitet und werden immer noch an den Wirtschaftshochschulen gelehrt oder vorausgesetzt, wobei der Schwerpunkt auf Leistung und Effizienz, bürokratischen Arbeitsstrukturen und Top-down-Hierarchie liegt. Traditionelles Management ist ein intern konsistentes und kohärentes System, das schwer aufzubrechen ist. Es besteht immer das Risiko, dass neue Manager, Mitarbeiter, Berater oder Lieferanten die Management-Denkweise des 20. Jahrhunderts selbst bei erfolgreichen agilen Implementierungen wiedereinführen.
  • Verschiedene Stufen von Agilität unterscheiden: Der GAO-Bericht erkennt an, dass eine agile Reise ein umfangreiches Unterfangen ist und nur in Phasen versucht werden sollte. Eine Aufschlüsselung dieser Phasen könnte hilfreich sein, d. h. frühe, mittlere und fortgeschrittene Stufe der Agilität. Obwohl es kontextspezifische Variationen geben wird, könnte es hilfreich sein, gemeinsame Muster abzugrenzen.
  • Auf dem Weg zur agilen Organisation fortschreiten: Der GAO-Bericht beschränkt sich ausdrücklich auf die agile Softwareentwicklung. Er erkennt zwar an, wie wichtig es ist, Unterstützung auf höchster Ebene für die agile Softwareentwicklung zu erhalten, zögert aber zu benennen, dass die wirklichen Vorteile erst eintreten werden, wenn die gesamte Organisation das Management des 20. Jahrhunderts endgültig hinter sich lässt und Agilität in jedem Aspekt ihrer Tätigkeiten einbezieht. Das bedeutet, dass für alle Behördenprozesse, einschließlich Führung, Strategie, Innovation, Finanzen und Haushalt, Personal und Risikomanagement, ein Managementansatz des 21. Jahrhunderts verfolgt wird. Nichtsdestotrotz stellt der GAO-Bericht einen guten Anfang dar, indem er das Wesen der agilen Softwareentwicklung erklärt.

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Ob Behörde oder privatwirtschaftliches Unternehmen, auf dem Weg hin zu einer agilen Organisation könnte unser Fokusthema “Transformation” für Sie interessant sein.

This article is a German translation of the article entitled “Who Says The Government Can’t Be Agile” by Stephen Denning and was first published on Forbes.com.

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Steve Denning
Steve Denning

Management Garden Team

Steve berät Organisationen auf der ganzen Welt in den Bereichen Führung, Innovation, Management und Storytelling. Lange Zeit arbeitete er bei der World Bank, wo er viele Managementpositionen innehatte, darunter die des Direktors für Wissensmanagement (1996-2000). Derzeit ist er Direktor des SD Learning Consortium. Sein Buch "The Age of Agile" wurde 2018 von HarperCollins veröffentlicht und von der Financial Times zu einem der besten Wirtschaftsbücher des Jahres 2018 gewählt. Darüber hinaus ist er Autor des "Leader's Guide to Radical Management", des "Leader's Guide to Storytelling" und "The Secret Language of Leadership".
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