Soziale Geschäftsmodelle – ein Vorbild für Corporate Entrepreneurship?

Christopher Arz

Christopher Arz

Management Garden Team

12. Juni 2015
6 Minuten
Sie haben schon längst viele Branchen im Visier und bereits einige erobert: soziale Geschäftsmodelle. Sie verändern die Gesellschaft unaufhaltsam. Ob Onlinebildung, Car-Sharing oder Energiewesen – es lassen sich jede Menge Beispiele finden, bei denen ein sozialer Gedanke die bestehenden, alt eingesessenen Geschäftsmodelle über den Haufen wirft. Eine Truppe von Weltverbesserern, die das Lösen gesellschaftlicher Probleme im Fokus haben, begründet das Phänomen des ‘Social Entrepreneurship’ und schafft einen immer stärker wachsenden Markt ….

Schöne neue Sozial-Markt-Welt

Was haben AirBnB, Wikipedia und Uber gemeinsam? Ihre Geschäftsmodelle basieren allesamt auf dem Ziel, ein soziales Problem lösen zu wollen. Dabei sollen insbesondere bestehende Zugangsbarrieren aufgehoben werden. Entsprechend beschreiben sich die Gründer gerne als „Changemaker“, die eine Sache zum Besseren verändern wollen. Scheinbar unbeabsichtigt werden aus ihnen jedoch häufig echte Revolutionäre, die einen Milliardenmarkt erschaffen.

Beispiele gibt es zu Hauf. Vor allem das Phänomen der Sharing-Economy hat bereits einige Marktpioniere hervorgerufen. So hatte auch das Konzept des Car-Sharing in erster Linie das Ziel, eine erhöhte Mobilität für Stadtbewohner zu schaffen, die sich kein eigenes Auto leisten möchten oder können. Heute ist die Automobilbranche, insbesondere die Autovermietung, bereits ernsthaft davon bedroht. Auch Verlage stehen unter hohem Wettbewerbsdruck, Wikipedia ist hingegen Branchenstandard. Dabei ging Jimmy Wales nur von der Idee aus, das Wissen der Welt jedem und überall auf der Welt zugänglich machen. Nun ja, er hat es eindrucksvoll geschafft. Das letzte Lexikon aus einer Druckerei liegt noch nicht so lange zurück, aber definitiv schon verstaubt im Regal – wenn überhaupt.

Ein weiteres beeindruckendes Beispiel: Das Unternehmen Specialisterne vermittelt Jobs an Menschen mit Autismus und nachweislich besonderen Fähigkeiten. Ihr Gründer Thorkil Sonne, ebenfalls Vater eines Autistischen Kindes, machte es sich zum Ziel, einer Millionen autistischer Menschen einen Job zu beschaffen. Menschen also, die trotz zumeist genialer Fähigkeiten dem Arbeitsmarkt zu großen Teilen vorenthalten wurden.

Die Gründer solcher Geschäftsmodelle profitieren vor allem von den immer kürzeren Innovationszyklen. Hat es früher teilweise Jahrzehnte gedauert bis eine soziale Innovation kommerziellen Erfolg verzeichnete, ist dies inzwischen innerhalb weniger Jahre möglich. Gleichzeitig ermöglichen die neuen Medien einen Long-Tail Ansatz. So lässt sich durch die Reduzierung der Transaktions- und Fixkosten in der Online-Welt auch mit vielen Nischen-Produkten in Summe viel Geld verdienen. Zudem waren die Menschen noch nie so gut vernetzt wie heute. Was aber spricht die Nutzer sozialer Geschäftsmodelle besonders an?

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Das Mitmach-Prinzip

Eine Studie von Ashoka, einer Non Profit Organisation, die sich seit ihrer Gründung 1980 auf dem Feld der sozialen Innovationen betätigt, trägt erstaunliches zu Tage. Das Erfolgsrezept sozialer Innovationen liege vor allem darin, den klassischen Kunden zum Mitmachenden zu entwickeln. Der Verbraucher wird dabei aktiv in den Wertschöpfungsprozess eingebunden. Jeder wird kurzer Hand zum Autovermieter, Autor oder Hotelier. Jeder kann mittlerweile Sprachunterricht geben, Lebensmittel produzieren, Investor sein oder Taxi fahren. Damit wird das alte Modell des einfachen Konsumenten ausgehebelt.

Diese verändernden Perspektiven kommen in der Regel aus der Mitte der Gesellschaft, nicht aus den Großkonzernen. Warum?

Im System der sozialen Innovationen besteht der ursprüngliche Gedanke darin, der Gesellschaft zu einem Sprung nach vorne zu verhelfen und bestehende Barrieren zu überwinden. Das ist zum einen ein höchst innovativer Ansatz, der ein dynamisches Umfeld erfordert. Zum anderen beinhaltet dieses Vorgehen für Konzerne stets die Gefahr, dass das bestehende Kerngeschäft kannibalisiert wird. Ein solch disruptiver Gedanke widerstrebt somit zunächst dem Grundprinzip der Gewinnmaximierung und kurzfristigen Management-Denkhaltung.

Dennoch kann dieser Ansatz als Vorbild für die zukünftige Geschäftsmodellentwicklung dienen – auch in Großkonzernen. Denn das Prinzip ist im Grunde nicht ganz neu und weist einen hohen Zusammenhang mit Methoden aus dem Sillicon Valley, wie Lean Startup und Design Thinking, auf. Im Fokus steht in erster Linie die Lösung eines sozialen oder persönlichen Problems, nicht die Umsatzmaximierung. Dadurch wird erreicht, dass man tatsächliche Bedürfnisse von Kunden erkennt und befriedigt. Wird damit ein nachhaltiger Nutzen geschaffen, kommt der entsprechende Umsatz von alleine.

Die vier Grundprinzipien sozialer Innovationen

Sozialunternehmer brechen mit einigen gängigen Regeln. Lautete die alte Gleichung noch, dass eine Innovation von Anfang an kommerziell gedacht und innerhalb eines definierten Investitionshorizonts vorangetrieben werden sollte, geht es bei sozialen Innovationen vor allem darum, Kunden zu Mitmachenden zu bewegen und echte gesellschaftliche Probleme zu lösen. Gesellschaftliche Anliegen werden zum Kern einer Unternehmung. Dabei tragen die nun vielfach vorhandenen Marktteilnehmer – altmodisch Konsumenten – dazu bei, dass die gesamte Idee außerordentlich skalierbar wird. Was heute vielleicht nur in einer Stadt funktioniert, kann morgen schon einen anderen Kontinent erobern.

Etablierte Unternehmen können daraus lernen. Dazu sie sollten vier Grundprinzipien beachten.

Wertschöpfung

Social Economy ist ein Bestandteil der Wertschöpfungskette. Das sollte jeder mittlerweile begriffen haben. Sie ist kein Gutmenschentum, keine Charity Veranstaltung, sondern ein realer Konkurrent jeder herkömmlichen Geschäftsidee. Großkonzerne sollten sie als Mitbewerber erkennen und auch die Förderung und Finanzierung von Sozialunternehmern in Betracht ziehen.

Engagement

Es ist zwingend notwendig, die Menschen und ihre Probleme stärker anzusprechen als bislang. Engagierte Mitmacher zu finden, die Probleme lösen möchten, sollte stärker in den Fokus eines unternehmerischen Vorhabens rücken. Der Kern eines Geschäftsmodells sollte entsprechend in der Value Proposition gesehen werden, nicht in den Revenue Streams.

Organisation

Soziale Ideen erweitern den Horizont einer Branche und zeigen ungewöhnliche Wege auf. Mitarbeiter sollten in der Lage sein, zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beizutragen. So kooperiert der Werkzeughersteller Hilti mit Sozialunternehmen, die Häuser in Slums bauen, oder Coca Cola mit Cloalife, die das Transportwesen zur Beförderung von Medikamenten nutzen.

Finanzierung

Neue Finanzierungsmodelle sollten Projekte, die sonst außerhalb des üblichen Budgetrahmens lägen und entsprechend im Nichts versanden würden, möglich machen. Aber Vorsicht! Ein Augenmerk sollte darauf liegen, dass der ursprüngliche Hintergrund einer innovativen Idee nicht durch die Marktaussetzung verwässert wird und der Aufbau zu einem Milliarden schweren Markt nicht dazu führt, dass Teilnehmer den Markt betreten, die entgegen die eigentlichen Motive handeln. Airbnb und Uber sind zwei gute Beispiele, wie die ursprüngliche Idee in ein aggressives Geschäftsmodell gepresst werden kann.

Fazit

Soziale Innovationen sind stark im Kommen und begründen schon jetzt die Milliardenmärkte von Morgen. Dabei steht jedoch zunächst das Lösen sozialer Probleme im Vordergrund, nicht die Umsatzmaximierung. Da Kunden durch diesen Ansatz zum Mitmachen animiert werden, können allerdings sehr schnell skalierbare Geschäftsmodelle entstehen. Dazu ist es jedoch zwingend notwendig, Mitarbeiter zum Out-of-the-Box Denken zu motivieren und mit gewissen Regeln zu brechen. Werden neue Geschäftsmodelle in Großkonzernen traditionell über einen klassischen Business Plan legimitiert, so muss zukünftig der Wert für die Gesellschaft und der Nutzen einer sozialen Problemlösung in den Vordergrund gestellt werden. Eine Mammutaufgabe in einem effizienz- und renditegetriebenen Konzernumfeld.

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Christopher Arz
Christopher Arz

Management Garden Team

Christopher Arz hält einen Master in Sales and Marketing und hat tiefgreifende Expertise in den Bereichen Product Management, Marketing und Innovationsmanagement. Im Rahmen seiner Master-Thesis beschäftigte er sich umfassend mit dem Thema Corporate Entrepreneurship.

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